Alter Wein in neuen Schläuchen: Kirche 2.0

Das Bistum Münster ist längst auf Instagramm und Facebook mit vielfältigen Beiträgen vertreten, um dort auf zeitgemäßen Plattformen die frohe Botschaft zu verbreiten und auch diese Zielgruppen anzusprechen. Moderne Kirche, könnte man meinen, aber die Praxis sieht anders aus. Zwei Beispiele:

Jeden Montag bietet sich auf dem entsprechenden Instagram-Account die schöne, moderne Möglichkeit, eigene kleine und große Gebete, Fürbitten, Dankesworte und Anliegen zu formulieren, welche anschließend ansprechend präsentiert werden. Die Themen reichen von privaten bis zu politischen, von gesellschaftlichen bis zu persönlichen Anliegen und zeugen von der wunderbaren Vielfalt, die sich auch und gerade im Gebet ausdrückt. „Für mehr Dialog auf Augenhöhe“, das ist mein Instagram-gerecht kurzes, bewusst allgemein und auf verschiedene Bereiche übertragbares, diplomatisch formuliertes Gebetsanliegen in dieser für unsere Gemeinde St. Stephanus so schwierigen Zeit, das ich entsprechend auf den Bistumsseiten eingetippt habe. Am Montag wurden nun unzählige Gebete auf dem Account des Bistums präsentiert, meines jedoch sucht man vergeblich…

„Traditionell“, hieß es, um ein zweites Beispiel zu nennen, wurde zu Neujahr ein Gedicht des Pfarrers aus Münster, St. Lamberti, aus dem Jahr 1883 gepostet mit den Worten, es habe „auch 2021 nichts von seiner Aktualität verloren“. Darin heißt es unter anderem: „Nimm den Ehefrauen das letzte Wort und erinnere die Ehemänner an ihr erstes.“ Nun könnte man auf den Zeitkontext oder die Gattung als satirisches Gedicht hinweisen, aber mindestens ebenso legitim ist es, dass viele NutzerInnen diese Einleitung bzw. dieses Gedicht und insbesondere diese Zeile als antiquiert und verletzend empfinden und dies entsprechend kommentierten. Nun hätte eine Einordnung, ja besser eine Entschuldigung erfolgen können, was Selbstkritik und Größe bewiesen hätte. Stattdessen aber wurden zahlreiche Kommentare kommentarlos gelöscht und viele Nutzer gesperrt…

So sinnvoll ein Auftritt der Kirche im Netz ist – wenn hier derart offensichtlich digitale Zensur erfolgt, dann hat eine Institution, welche sich als „semper reformanda“ charakterisiert, mit Blick auf ihre kirchengeschichtliche Vergangenheit nichts gelernt sondern mischt wieder nur „alten Wein in neue Schläuche.“

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Kirche, Macht und Menschen

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