Empfindliche Pflänzchen

Gedanken zum Leserbrief vom 09.12.2020 in den WN (“In geistlicher Nische eingerichtet”):

Nachdem ich diesen Leserbrief gelesen hatte, musste ich erst mal ein bisschen überlegen, warum ich beim ersten Lesen dachte: eigentlich hat der ja Recht.... aber trotzdem das Gefühl behielt, dass er nicht verstanden hat, worum es geht.... Ich glaube, es ist so:

Thomas kann Leute ansprechen und begeistern, die in anderen katholischen Gemeinden eher selten zu finden sind. Es sind sehr verschiedene Charaktere, die vor allem eine Gemeinsamkeit haben: dass sie sich selbst nicht unbedingt als „treue Katholiken“ definieren und  häufig ein eher loses oder kritisches oder sogar distanziertes Verhältnis zur katholischen Kirche haben und dennoch irgendwie interessiert und ansprechbar dafür sind.

Dies Talent von Thomas ist ganz wunderbar und wichtig und das zu erwähnen hat mit „Personenkult“ nichts zu tun, finde ich.

Wenn die Gemeinde dann auch aus vielen solcher „nicht-klassischen Katholiken“ besteht, ist diese Gemeinde sehr bunt und lebendig und weltnah, eben weil nicht nur die "Stammklientel" der Kirche mitmacht, sondern Viele, die nicht ins klassische Schema „Katholik“ passen.

Wobei unter Gemeinde dann auch nicht nur die Leute zu verstehen sind, die jeden Sonntag in der Kirche sind, sondern auch die, die nur gelegentlich kommen, aber dennoch mit dazu gehören.

Leider sind solche Gemeindemitglieder "empfindliche Pflänzchen", die nicht mit jedem Priester zurecht kommen und schnell wieder verschwinden würden, wenn die Atmosphäre in der Gemeinde in die Richtung eines eher konservativ-elitären Clubs gehen würde.
Und deshalb kann man diese Gemeinde schon sehr stark beeinträchtigen (wenn auch vielleicht nicht komplett zerstören), indem man den Priester versetzt, insbesondere, wenn er durch einen traditionell- konservativ-katholischen Nachfolger ersetzt wird.

Der Witz an der Sache: diese "empfindlichen Pflänzchen", die ein modernes, offenes, kreatives Klima brauchen, stellen – so glaube ich zumindest – überall die Mehrheit der  „stillen“ Katholiken dar – das ist ja genau der Grund, warum es so wenig aktive Gemeindemitglieder und so viele reine „Taufschein-Katholiken“ weit und breit gibt!

Ganz gemein zugespitzt könnte man sagen: die traditionell-konservative Stammklientel der Katholiken kommt mit vielen Arten von Priestern klar und kann auch einen häufigen Wechsel der Seelsorger problemfrei ertragen. Denn für sie steht ja Christus und ihr fester Glaube im Zentrum der Gemeinde und so sind sie nicht so schnell durch „das Bodenpersonal“ zu erschüttern.

Das „Zaubermittel“ des Thomas Laufmöller, um die besagte bunte Mischung Menschen zusammenzuhalten und immer wieder zum mitmachen zu begeistern, ist: Beziehung – eine offene, fröhliche, interessierte Beziehung zu jedem Menschen mit seinem jeweiligen Hintergrund.

Und die kann man nicht aufbauen, wenn man nur stundenweise zu Gottesdiensten und Gremientreffen „eingeflogen“ wird....

Ich glaube, genau das ist der Grund, dass der Protest in St. Stephanus so laut und emotional ist ....und dass dies für Menschen, die fest im Glauben verwurzelt sind und die eine tragfähige persönliche Beziehung zu Christus haben, so wenig nachvollziehbar ist, ist ja sogar auch irgendwie logisch....

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Ein “Menschenfischer“

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