Ein “Menschenfischer“
Beim Lesen der Gedanken Empfindliche Pflänzchen von Annette Lammerding vom 17.12.2020 musste ich sofort an die Metapher des „Menschenfischers“ denken, die wir in Vers 17 im ersten Kapitel des Markus-Evangeliums finden. Ihre Bedeutung entspricht auch dem Verständnis, das der tschechische Theologe und Religionswissenschaftler Tomáš Halík in Bezug auf Glaube und Gott vertritt, was die Lektüre seines Buches Geduld mit Gott. Die Geschichte von Zachäus heute zeigt. Denn dieser Theologe versteht seinen Auftrag als Priester besonders darin, sich auf die Menschen zuzubewegen, die sich mit ihrem Glauben am Rande befinden und gerade diesen eine Möglichkeit zum Dialog zu unterbreiten. Und zwar so, dass beide Seiten bei der Suche nach Wahrheit voneinander profitieren können: die Fragenden und die Antwortenden. Mit seiner Sichtweise auf den Glauben verkörpert Halík selbst das, was Jesus unter dem Bild „Menschenfischer“ versteht. Halík greift in seinem Buch das Bild des Zachäus auf, der auf einem Feigenbaum sitzt, um von dort auch als Außenstehender und Versteckter Anteil an der Botschaft Jesu nehmen zu können, die dieser den Menschen, die ihn in einer großen Menge umkreisen, verkündet. Halík erklärt dem Leser, dass Zachäus offensichtlich doch, obwohl er als distanzierter Zeitgenosse nicht zum Kreis der fest im Glauben Stehenden zählt, Interesse daran hat, mehr von Jesus über den Glauben für sein eigenes Leben zu erfahren.
Um nun die Brücke zu St. Stephanus in Münster zu schlagen: Viele aus dieser Gemeinde haben auch Thomas Laufmöller als einen solchen „Menschenfischer“ erfahren – junge Menschen und auch solche, die aus diversen Gründen den Zugang zu Glaube und Kirche auf ihrem Lebensweg zwischendurch irgendwo verloren haben. Und wieso haben sie dann doch wieder den Weg zurück zu Glaube und Kirche gefunden? Weil sie mit ihrem Rucksack an Erfahrungen auf Pastor Laufmöller getroffen sind, dem es gelungen ist, sie zurück in die Kirche zu holen und ihren Glauben wieder- oder neu zu beleben. Und wie ist ihm das gelungen? Durch sein langjähriges Wirken als ein Pastor mit viel Engagement, Authentizität, Empathie und herzlicher, bedingungsloser Annahme seines Gegenübers hat er es geschafft, Vertrauen zu diesen Menschen aufzubauen und damit auch ihr Interesse am christlichen Glauben (wieder) zu erwecken. In diesem Zusammenhang stellt sich nun automatisch (wieder) die Frage, warum die Institution Kirche diese Überzeugungskraft bei vielen Menschen heutzutage oft nicht mehr besitzt. Oder, um es konstruktiv auszudrücken: Was könnte/sollte/müsste im Kontext Kirche verändert werden, damit diese auf einen nicht geringen Prozentsatz von Menschen (wieder) eine positive(re) Anziehungskraft ausübt?
Nicht nur vor dem gerade geschilderten Hintergrund empfinden viele Gemeindemitglieder aus St. Stephanus Thomas Laufmöller als ein „Geschenk Gottes“. Denn umgekehrt spüren sie, dass auch sie von diesem Pastor wertgeschätzt werden, bedingungslos. Und für solch ein Geschenk sind diese Menschen gerne bereit ein- und auch aufzustehen, was die entschiedenen Aktionen rund um seine Abberufung in den letzten Wochen eindeutig gezeigt haben und auch nach wie vor belegen.
Nun bleibt zu hoffen, dass sich auch unser Bischof diesen unschätzbaren Wert, den Thomas Laufmöller ja auch für ihn haben müsste, in einer Phase der Kontemplation bewusst macht und in hoffentlich nicht allzu entfernter Zukunft bereits gefallene Entscheidungen doch noch einmal neu reflektiert und korrigiert. Es wäre mehr als wünschenswert!
Um abschließend mit einem kleinen Wortspiel zu enden und dem Bischof, der ja trotz seines Amtes auch Mensch ist, lächelnd zuzuzwinkern: Es bedarf nicht nur, um mit Tomas Halik zu sprechen, „Geduld mit Gott“, sondern auch Geduld mit der Institution Kirche und denjenigen, die sie maßgeblich verwalten und zu verantworten haben …