1. Advent 2021

Im Advent, im Advent

Dem Weihnachtsfest geht in jedem Jahr der Advent voraus. Advent bedeutet Ankunft. Jemand kommt, jemand wird erwartet, immer und immer wieder. Es ist erstaunlich, dass sich die Christen in jedem Winter neu auf die Ankunft von Jesus Christus vorbereiten. Seine Geburt liegt schließlich schon mehr als 2000 Jahre zurück. Dass sein Geburtstag gefeiert wird, ist vielleicht noch verständlich, aber dass es diese lange Vorbereitungszeit braucht – 22 bis 28 Tage, lese ich –, lässt mich den Text dieses Liedes genauer anschauen.

„Im Advent, im Advent ist ein Licht erwacht“, heißt es gleich am Anfang. Nun weiß ich, dass Jesus sich in Joh 8,12 selbst als Licht der Welt bezeichnet. Weihnachten wird das Licht der Welt, das Licht für die Welt geboren. Warum erwacht es im Advent? Ich stelle mir vor, dass es ein langsames Erwachen des Lichtes braucht. Erst eine Kerze, dann zwei Kerzen, dann drei Kerzen, dann vier Kerzen und dann leuchtet der ganze Adventskranz und zur Geburt Jesu kommt noch der Weihnachtsbaum mit seinen vielen Lichtern hinzu. Schritt für Schritt wird es immer heller. Da es im November und Dezember früh dunkel wird, nimmt der Mensch dieses Hellerwerden ganz deutlich wahr. Er kann gar nicht übersehen, dass da auf etwas hingeleuchtet wird.

Gleichzeitig fällt mir auf, dass ein Erwachen keine Geburt aus dem Nichts heraus ist. Im Grunde war Christus schon immer da. Gott ist immer dagewesen. In Exodus 3,14 offenbart er seinen Namen: Ich bin der Ich-bin-da. Das Da-Sein ist das Wesen Gottes. Die einzige logische Frage ist, ob er also geschlafen hat. Ich vermute eher, dass die Menschen geschlafen haben. Wenn ein Licht auf etwas gerichtet ist, wird es sichtbar. Alle Aufmerksamkeit richtet sich auf das Erleuchtete. Man kann es nicht mehr übersehen. Man kann auch nicht weiter schlafen. Es wird zu hell. Im Advent wird uns langsam die volle Strahlkraft Gottes deutlich, uns, die wir gern unaufmerksam durch das Leben gehen; uns, die wir es anstrengend finden, immer wach bleiben zu müssen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Aristoteles den Menschen mit einer Eule verglichen hat. Wir leben eher bei Nacht – zu viel Helligkeit überfordert uns und unsere Augen. Daran müssen wir uns erst langsam gewöhnen. 20 bis 28 Tage haben wir im Advent dafür Zeit, von der Eule zum Adler zu werden. Der Adler wurde nämlich als das einzige Tier betrachtet, das direkt in die Sonne schauen kann. Er ist ein Symbol des Mystikers.

Christus als Licht der Welt an Weihnachten schauen zu können, braucht den Advent. Die Wucht der Botschaft, die er in die Welt bringt, wäre sonst zu groß. Damit wir die Geburt des Lichtes überhaupt beachten und damit wir seine Botschaft verstehen und ertragen können, muss es langsam für uns erwachen. Dann strahlt es für uns auf die Welt und lässt uns die gesamte Wirklichkeit richtig sehen: dass sie Schöpfung ist, dass alles Schöpfung ist, dass Tiere und Menschen Mitgeschöpfe sind, dass wir so mit ihnen umgehen sollen, wie das Licht es uns vormacht. Gott schenkt uns dieses Licht aus Liebe und Jesus Christus verkündet als dieses Licht nichts als die Liebe. Das Licht fällt auf die Liebe und macht uns darauf aufmerksam, dass wir diese Liebe leben sollen.

„Denn es geht im Advent um ein heller Schein“, heißt es in der letzten Strophe. „Wenn er leuchtet, wenn er brennt, wird er in uns sein.“ Ich stelle mir vor, dass wir nicht nur äußerlich beleuchtet werden, sondern dass dieser Schein in uns eintaucht, wenn wir offen für dieses Licht und seine Botschaft sind. Dann werden wir von innen her erleuchtet sein und die Botschaft des Lichts und der Liebe weitertragen. Die Befreiung, von der das Lied in jeder Strophe erzählt, ist die Befreiung von der Dunkelheit. „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“, lesen wir weiter in Joh 8,12. Wer in das Licht eingetaucht ist und sich für das Licht öffnet, es in sich einfließen lässt, dessen Augen und dessen Herz verändern sich. Wie gut, dass wir diesen Advent in jedem Jahr haben, denn es bleibt eine stetige Aufgabe, im Licht zu leben. Aber es lohnt sich immer wieder. Darum: „Seid bereit!“

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2. Advent 2021