Für wen ist die Kirche heute da?
In den letzten Tagen wurde viel über den Protest in der Aaseestadt gesprochen und immer wieder kamen dabei Argumente für den Wechsel auf, die so oder ähnlich klangen: „Personenkult“, „das Glück einer Gemeinde darf nicht an einer Person hängen“ und „Wechsel der Priester alle paar Jahre ist heute eben so“. Herr Render sagte selber sinngemäß in einem Interview vor ein paar Jahren ‚den Herrn Pastor wird es so nicht mehr geben‘ (https://www.azonline.de/Muensterland/3974913-Abschied-vom-Herrn-Pfarrer-Geistliche-kehren-ihren-Gemeinden-verstaerkt-den-Ruecken) und ‚den personellen Schnitt haben wir 2016 verpasst‘ (https://www.wn.de/Muenster/4325824-Abberufung-von-Pfarrer-Laufmoeller-Personaldezernent-Render-Haetten-2016-personellen-Schnitt-setzen-muessen). Das alles wird wahlweise als modern oder zeitgemäß verkauft - ein neuer Priester in der Gemeinde soll für frischen Wind sorgen, neue Impulse setzen - oder als Notwendigkeit verpackt, Stichwort Priestermangel.
Und es gibt sie, die Gemeinden, die sich einen Seelsorger mit anderen Gemeinden teilen müssen. Ich komme selbst aus einer ländliche Gegend, wo dies einfach der Fall war. Das ist traurig, aber nachvollziehbar, und wird als generelles Argument auch von niemandem von der Hand gewiesen. Im Fall der Abberufung von Thomas Laufmöller ist es jedoch schlichtweg lächerlich. In der Pfarrei St. Nikolas in Wolbeck wird er der fünfte Seelsorger werden, während in der Pfarrei St. Liudger mit dem Abgang von Timo Weissenberg und Cyrus van Vught im nächsten Jahr eine Großpfarrei mit vier Gemeinden mit einem Priester ausgestattet ist - Stand heute. Sosehr ich anderen Gemeinden eine gute seelsorgerische Versorgung gönne, ist es doch in diesem Fall grotesk, wenn dieses als ernsthaftes Argument angeführt wird.
Das Argument „Personenkult“ ist so vielfältig wie heikel. Zunächst einmal ganz allgemein: Mit dem Blick Außenstehender mutet es wohl merkwürdig an, dass eine Religionsgemeinschaft, die so stark auf eine weltweite männliche Hierarchie gründet, die absoluten Gehorsam verlangt, da der Pontifex Maximus, der Stellvertreter Gottes auf Erden, in Rom die Richtung weist, die eine Schar Heiliger verehrt, ein Problem mit Personenkult haben soll. Geschenkt, im konkreten Fall diskreditiert dieser Vorwurf schlichtweg einen Seelsorger, der seine Arbeit sehr gut macht, Seelsorge dabei als Berufung begreift und mit seiner Art, die Lehren der Kirche und die frohe Botschaft zu verkünden, es vermag, die Menschen weit über seinen Stadtteil zu be-geistern. Im Unternehmersprech der Kirche, als das sie sich in der Presse selbst stilisiert, ist Thomas Laufmöller ein sehr erfolgreicher Mitarbeiter, der einen sehr guten „Umsatz“ macht und viele neue und alte „Kunden akquiriert“. Das hat aber rein gar nichts mit dem Begriff Personenkult zu tun, bei dem man Bilder diverser Prediger christlicher Splittergruppen, beispielsweise in den Staaten, im Kopf hat. Die Kirche kann im Jahr 2020 um jeden froh sein, der sich noch ihrer annimmt und trotz der vielen Fehler, die gemacht wurden, trotz der langsamen Progression, die die Institution vorweist, in der Kirche bleibt und sich in eine Gemeinde einbringt. Viele von uns müssen sich mittlerweile nämlich rechtfertigen, warum man denn noch in der Kirche ist - und ehrlich gesagt gehen uns gerade die Argumente aus.
Es bleibt die Frage im Raum stehen: Für wen ist die Kirche angesichts dieser Tatsachen heute noch da? Man könnte ja meinen, dass sie die Seelsorger - die übrigens auch in Scharen davonlaufen, dazu an anderer Stelle später mehr - und Gläubigen umso mehr schätzt, wo es jedes Jahr austrittsbedingt weniger werden. Dem ist leider nicht so. Der Bischof macht durch seine Fusionen und Personalpolitik die letzten Personen mürbe, die sich noch einbringen, zerstört die letzten kleinen Oasen, die es noch gibt, und es kümmert ihn überhaupt nicht. Statt sich mit den Gläubigen auf einen Dialog einzulassen, werden wir bislang mit Plattitüden seitens diverser Pressesprecher abgespeist - Herr Genn, wir warten immer noch auf ein Gesprächsangebot Ihrerseits! Das Gespräch mit Herrn Laufmöller kann in diesem Zusammenhang lediglich als Ablenkungsmanöver und Druckmittel verstanden werden, was auf dem Rücken des Seelsorgers erfolgte und den schwarzen Peter an die Gemeinde abgeschoben hat, was aus moralischer Sicht besonders fragwürdig war: Es warf die Gemeinde in das Dilemma entscheiden zu müssen, entweder ihre eigenen Werte zu opfern oder zu riskieren, dass Pastor Laufmöller für das Handeln „seiner“ widerspenstigen Gemeinde in Sippenhaft genommen wird. Jetzt stehen wir alle da, ein Seelsorger und seine Gemeinde, und fragen uns: WARUM? Herr Genn hat unser aller Leben aus der Bahn geworfen, und kann man im Fall des Pastors noch der Meinung sein, dass Bischof sein Personal einsetzen kann, wie er beliebt, so hat er dennoch kein Recht, das Leben so vieler Menschen (nehmen wir einmal die 1000, die ihre Unterschrift auf die Liste gesetzt haben) auf den Kopf zu stellen. Oder, um es positiv auszudrücken: Wir sind uns selber mehr wert als das.