3. Advent 2022
Wäre Gesanges voll unser Mund
Vor kurzem haben mir zwei liebe Menschen ein Foto aus der Liebfrauenkirche in Bremen geschickt. Die beiden sitzen jeweils auf einer Schaukel und schweben durch die leere Kirche. Ich recherchiere die Aktion und lese, dass die Schaukeln am Gewölbe der Basilika an 13m langen Ketten angebracht sind und durch ein gekoppeltes Pendel nur zu zweit funktionieren. Man überträgt schon winzigste Bewegungen auf den anderen; die Energien fließen von Partner zu Partner, so dass man gemeinsam durch die leere Kirche fliegt – aufeinander zu und aneinander vorbei. Ich stelle mir vor, was für ein großartiges Gefühl es sein muss, durch die Kirchenluft zu schwingen. Selig schaukeln darf man sich dort.
In einer Kirche ist man Gott sehr nah. Wenn man zu zweit dort ist und gemeinsam Richtung Himmel fliegt, kommt man Gott noch näher. Das Zusammensein, die gemeinsame Freude beim Schaukeln und somit die Liebe schenken diese Gottesnähe. Man verliert die Schwere, die das Leben manchmal bedeutet. Wenn dazu musikalische Klänge den Kirchenraum erfüllen, man also gemeinsam durch die Musik fliegt, male ich mir aus, dass das eigene Herz selbst zu singen beginnt, um Gott in der erlebten Leichtigkeit des Schwungs für das Erlebnis zu danken. Man lebt nicht nur, sondern erlebt das Leben, kommt der Fülle des Lebens näher und nimmt dies in der eigenen Tiefe wahr. Man spürt, was Seligkeit bedeuten könnte, spürt es intensiver als vom Boden aus, spürt es, weil man in diesen besonderen Steinen mit einem lieben Menschen schwerelos ist.
Ich bin mir sicher, dass ich in diesem Moment „Wäre Gesanges voll unser Mund“ singen würde. Dieses Lied drückt für mich die Unfassbarkeit der Fülle Gottes am besten aus. „Wäre Gesanges voll unser Mund, voll, wie das Meer und sein Rauschen, klänge der Jubel von Herzensgrund – schön, dass die Engel selbst lauschen“, heißt es dort. Und dann: „So reichte es nicht, es reichte doch nicht, dich, Gott, unseren Gott, recht zu loben“. Alles, was wir an Seligkeit beim selig Schaukeln erleben, ist nicht imstande, die wahre Seligkeit zu treffen. Alles, was daraufhin an Jubel und Gesang aus dem eigenen Herzensgrund kommt, was also der Tiefe und Wärme unseres Wesens entsteigt, wird die unendliche Fülle Gottes nicht angemessen loben können. Und trotzdem sind wir bereits mitten im Erleben dieser Fülle. Es ist schon alles da. Wir schaukeln gemeinsam immer näher heran und tiefer hinein und spüren, wie das Herz dabei überfließt. Das ist Advent. Freuet Euch!
Anton, 8 Jahre