4. Advent 2021

Im Dunkel unsrer Nacht entzünde das Feuer

Wenn ich über das letzte Jahr in dieser Kirche und in dieser Gemeinde nachdenke, so beobachte ich, dass es eine anhaltende Dunkelheit in den Seelen vieler Menschen hinterlassen hat. Spüren Sie in Ihrer eigenen Seele noch eine Dunkelheit, die sich auf die Geschehnisse in unserer Gemeinde zurückführen lässt? Was genau hat diese Dunkelheit verursacht und wodurch wird sie genährt? Und gibt es ein Feuer, das in dieser Dunkelheit gezündet wurde?

Es ist mein großer Wunsch, dass wir die anhaltende Dunkelheit in unserer Gemeinde nicht durch ein künstliches Licht zu überdecken versuchen, sondern dass wir ehrlich mit den Beschwernissen umgehen und zusammen an ihnen arbeiten. Ich hoffe vor allem, dass es uns irgendwann gelingt, wahrhaftige Helligkeit in dieser Gemeinde zu schaffen. Das wird aber erst möglich sein, wenn die Probleme, die auf uns zugekommen sind, gelöst sind, wenn unser Bild von Kirche nicht mehr länger durch das lieblose und wahrheitsferne Verhalten der Bistumsleitung geprägt ist. Diese Gemeinde hat das Potential, eine neue Art von Kirche mitzugestalten. Das wird wohl am besten gelingen, wenn wir unsere bunte Vielfalt weiterhin stärken. Jeder darf die Gewissheit haben, sich und seine Wertvorstellungen nicht verbiegen zu müssen. Jeder darf sich angenommen fühlen. Gott kann man nur mit aufrichtigem Herzen begegnen und darum ist es wichtig, dass wir für das einstehen, an das wir glauben. Wenn wir Veränderungen möchten, müssen wir selbst ein Feuer in dieser Dunkelheit zünden. Es wäre schön, wenn wir uns dabei weiter gegenseitig helfen und einander Zuwendung schenken könnten. „Ihr seid das Licht der Welt“, heißt es in Mt 5,14. Es liegt also an uns, die Welt mit Wahrhaftigkeit und Liebe zu erleuchten. Dadurch machen wir uns nicht nur innerhalb der Gemeinde den Weg gegenseitig ein bisschen leichter, sondern können auch anderen Menschen und Gemeinden Wegbereiter sein.

Wer nicht an der Wahrheit haftet, ihr nicht treu bleibt, sie nicht stetig ans Licht zu bringen versucht, der schafft sich seine eigene Dunkelheit. Wer dabei nicht den Weg der Liebe geht, findet niemals zum Licht. Wenn ich an das Feuer denke, das wir selbst im Dunkel unsrer Nacht entzünden können, dann fällt mir nur ein Haften an der Wahrheit und an der Liebe ein. Aber was hat das genau mit Gott zu tun?

Immer wieder lasse ich den Gesang aus Taizé durch mich hindurchziehen: „Im Dunkel unsrer Nacht entzünde das Feuer, das nie mehr erlischt, das niemals mehr erlischt“. Was soll Gott in uns entzünden? Worum bitte ich ihn mit meinem Gesang? Was ist das Feuer, das es vermag, unserer Dunkelheit Wärme zu schenken und sie verlässlich zu einer durchleuchteten zu machen? Was nimmt somit jeder Dunkelheit ihre Bedrohlichkeit, ihren Stachel?

Gott ist die Wahrheit selbst. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, sagt Jesus Christus in Joh 14,6. Den Weg Gottes zu gehen, bedeutet, den Weg der Wahrheit zu gehen. Wenn der Mensch auf ihn ausgerichtet sein möchte, dann muss sein Herz an der Wahrheit haften. Gott ist auch die Liebe selbst. Alles, was er macht, macht er aus Liebe. Er ist nichts als Liebe. Das Wesen der ganzen Wirklichkeit ist somit Liebe. Wenn der Mensch im Sinne Gottes leben möchte, dann muss er sein Herz für die Liebe öffnen und diese Liebe leben. An der Wahrheit zu haften, heißt bereits, die Wahrheit zu lieben. Das kann uns letztlich nur gelingen, weil Gott als die Wahrheit und die Liebe selbst uns diese Liebe in unser Wesen hat einfließen lassen. Er hat unserem Wesen schon immer dieses Feuer geschenkt und es in uns entzündet. Wir müssen nur mithelfen, dieses Feuer groß zu machen und es am lodern zu halten.

Das ist sicherlich keine leichte Aufgabe für uns und diese Gemeinde. Aber wollen wir es nicht trotzdem versuchen? „Zwischen uns und dem Leben ist nichts mehr. Wir stehen am Rand des Lichts“, sagt Jörg Zink. Warum sollen wir es nicht einfach wagen, die Hand auszustrecken und in dieses Licht einzutauchen?

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